Joseph Roth, Klaus Mann, Irmgard Keun, Ernst Toller, Vicki Baum und viele andere, sie alle durften nach 1933 in Deutschland nicht mehr publizieren und waren ihres Lebens nicht mehr sicher. Ob sie nun die Niederlande als Exilwort wählten oder anderswo wohnten, der Amsterdamer Verlag Querido wurde ihnen zumindest literarische Heimat. Der Verleger Emanuel Querido, aus der Amsterdamer Sefarden-Gemeinde stammend, gründete einen deutschen Zweigverlag und engagierte dafür den jungen Fritz Landshoff, der zuvor sehr erfolgreich für den Kiepenheuer Verlag in Berlin gearbeitet hatte. Gemeinsam mit seiner Kollegin Alice van Nahuys und weiteren engagierten Mitarbeitern verlegten sie neue, ausgezeichnete Werke der Emigrantenszene auf Deutsch, und bildeten oft die einzige, verzweifelt gebrauchte Einnahmequelle von literarischen Menschen, die sonst alles verloren hatten und darüber hinaus seelische Qualen litten. Aber auch jene „großen Namen“, die es in der Emigration zumindest finanziell leichter hatten, wie Stefan Zweig oder Thomas Mann, steuerten Texte für das Verlagsprogramm bei.
Bettina Baltschev beschreibt die jahrelange Verlagsgeschichte zwischen Hoffen und Bangen, immer größer werdenden finanziellen Engpässen (vor allem 1938, als durch den „Anschluss“ Österreichs der Markt weiter schrumpfte) und dem gesellschaftlichen Lavieren der Verleger durch ein brisantes gesellschaftliches Klima: Verstanden sich die Niederlande prinzipiell als liberaler, nicht rassistischer Gegenpol zu den totalitären deutschen Nachbarn, so erkaltete die Stimmung im Lauf der Zeit angesichts der immer größer werdenden Flüchtlingsströme. Die gewaltsame Besetzung der Niederlande durch Hitlers Truppen beendete die Verlagstätigkeit abrupt. Emanuel Querido, der sich noch monatelang versteckt halten konnte, wurde verraten, deportiert und mit seiner Frau in Sobibor ermordet. Fritz Landshoff, der sich zur Zeit der Besetzung zufällig in London aufhielt, überlebte den Krieg. Querido sollte nach 1945 wieder auferstehen.
Ein sehr empfehlenswertes Buch. Bettina Baltschev schreibt detailreich, höchst informativ und doch einfühlsam, flüssig und unterhaltsam. Bei aller Sympathie zum Gegenstand bewahrt sie sich auch kritische Distanz in ihrer Erzählung. Sehr geschickt wirken die „Überblendungen“ zwischen dem Amsterdam der Dreißiger Jahre und der Gegenwart. (U.R.)
Zur Bestellung
Bettina Baltschev: Hölle und Paradies. Amsterdam, Querido und die deutsche Exilliteratur.
Verlag Berenberg. Eur(A) 22.70
ISBN 978-3-946334-08-8
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