Claude ist dreizehn und gerade von seinen Eltern verlassen worden. Seine ewig studierende Mutter, eine Ethnologin (ihr Sohn ist natürlich nach Claude Lévi-Strauss benannt), hat einen neuen Freund, einen südamerikanischen Straßensänger und zieht mit dem kleinen Bruder aus. Claude bleibt beim Vater, einem zynischen Orchestermusiker, dem es nicht schnell genug gehen kann, seinerseits ein neues Leben, ohne den Sohn, zu beginnen. Die Familienwohnung wird zur Einzelhaft, die Schule, das renommierte Theresianum in Wien, zum Gefängnishof, wo Claude von den Sprößlingen der „guten Gesellschaft“ gemobbt wird. Kurz: Der "Vermählungsbrunnen" am Hohen Markt, den Claude von seinem Fenster aus sieht, könnte für seine Situation nicht unpassender sein.
Einziger Freund ist der serbische Taxifahrer Dirko, der an Multipler Sklerose leidet und eine Fischerhütte am Donauufer hat, wo man serbisch grillen kann. Auf langen Autofahrten unterweist er Claude in seinem Lieblingsgegenstand: Die Hinrichtungsstätten von Wien. Als Claude die Schule wechseln muss, wird es langsam wärmer: Seine Schulfreundin, die halbjapanische Minako, lässt in der emotionalen Wüste, den Frühling erwachen. Doch die Liebe bringt neue Sorgen.
Dirk Stermann hat ein tieftrauriges Buch mit komischen Elementen geschrieben, ein literarisches Schwarzbuch Wien. In diesem ausgezeichneten Roman treten abgründige Bosheit und Gefühlskälte hervor, vor denen sich die guten Gefühle wie Partisanen fast chancenlos immer wieder verstecken müssen. (U.R.)
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Dirk Stermann: Der Junge bekommt das Gute zuletzt.
Verlag Rowohlt
Eur(A) 20,60
ISBN 978-3-498-06438-9
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