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Uhren gibt es nicht mehr von André Heller


André Heller spricht mit seiner 102-jährigen Mutter Elisabeth Heller. Was für ein Geschenk, wenn sich Mutter und Sohn nach langer und oft problematischer Beziehung auf einer solchen sprachlichen Ebene in Harmonie verständigen können. Seit seine Mutter das hohe Alter erreicht hat, schreibt Heller im Vorwort, würde er sie völlig anders erleben als in den ersten fünfzig Jahren des gemeinsamen Wegs, nämlich tapfer und voll innerer Standfestigkeit. Und aus Elisabeth Heller spricht ein großer Stolz auf ihren Sohn, der so anders gewesen sei, als sie und der Rest der Familie, während sie gleichzeitig thematisiert, welch schwieriges Kind André Heller für sie gewesen sei.

Die Gespräche sind schön durch ihre Offenheit, Ehrlichkeit, Tiefsinnigkeit, Leichtigkeit und ihren Humor. Altersweisheit auf beiden Seiten, und gleichzeitig Spaß an den bisweilen überraschenden Gesprächswendungen und Gedankensprüngen. Der Tod wird nicht ausgeklammert. André Heller fragt seine Mutter: Was müssten die Menschen dringend lernen? Elisabeth Hellers Antwort: Bescheidenheit und Güte, und sich nicht zu überschätzen. Politiker sollten jede Nacht den Sternenhimmel betrachten, um ein richtiges Maß zu bekommen. „Aber mich betrifft das ja nicht mehr. Demnächst zu Hause wird es ja die Dummheit nicht mehr geben.“ (U.R.)


André Heller: Uhren gibt es nicht mehr. Gespräche mit meiner Mutter in ihrem 102. Lebensjahr.
Verlag Zsolnay 
Eur(A) 18,50
ISBN 978-3-552-05831-6



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