Direkt zum Hauptbereich

Der Zauberer von Colm Tóibín

 

Gerade habe ich Colm Tóibíns "Zauberer" zu Ende gelesen. Fast stimmt es mich traurig. Denn seit einiger Zeit ging ich mit Thomas Mann "ins Bett" ! Und freute mich jeden Abend aufs Neue darauf, in diese Romanbiographie einzutauchen. Vielleicht als nicht wirklich fundierte Kennerin von Thomas Manns Leben und Werk gerade deshalb. Es fängt an mit den Manns in Lübeck, der alteingesehenen Senatorenfamilie, und hört auf mit Thomas Manns Lebensende, und dem was von seiner Familie überblieb, in der Schweiz. Dazwischen der ganze politische Wahnsinn zwischen dem Ersten Weltkrieg, dem Nazi-Horror, der Flucht aus Europa, dem amerikanischen Exil - zuerst als Emigrant dort willkommen, dann unbequem geworden, weil nicht manipulierbar. Diese Familiengeschichte mit dem wechselnden politischen Geschehen ist Zeitgeschichte, Literaturgeschichte und Zeugnis des 20.Jahrhunderts, im Besonderen erzählt durch die oft tragischen Einzelschicksale seiner Geschwister und Freunde und der Nachkommen aus seiner Ehe mit Katia Pringsheim.

Ob seitenweise, Absatz-weise oder Kapitel-weise - alles in allem war das Lesevergnügen groß! Jetzt kann ich mitreden, wenn es um den "Zauberer", sein Werk und seine Zeit geht. Daß es eine Übersetzung aus dem Englischen ist, mutet fast überraschend an, so glaubwürdig liest sich das Deutsche. Und seidig fühlten sich die Buchseiten an, wenn ich darüber strich, ein bibliophiles Erleben der  besonderen Art, und mir noch nie begegnet. H.R.

Colm Tóibín: Der Zauberer. Roman.

Verlag Hanser

ISBN 978-3-446-27089-3  Eur(A) 28,80.

Zur Bestellung

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Sing, wilder Vogel, sing von Jacqueline O´Mahony

  Ein Schmöker definiert sich als ein dickerer, inhaltlich weniger anspruchsvoller, aber zugleich fesselnder Roman. Und dieses Buch liest sich ebenfalls wie ein kleiner Schmöker, jedoch mit dem Unterschied, daß es nicht nur spannend ist, zugleich aber ein anspruchsvolles geschichtsträchtiges Thema zum Inhalt hat. Es geht um die Hungersnot 1849 in Irland, ausgelöst durch die Kartoffelfäule und die Landvertreibung des irischen Volkes  durch die englischen Grundherren. Dem irischen Mädchen Honora wird im Leben nichts geschenkt. Von Kind an auf sich allein gestellt und ausgegrenzt, wächst sie in Armut auf. Um nicht zugrunde zu gehen, fährt sie als blinder Passagier mit einem Schiff nach Amerika, wo sie vom Regen in die Traufe kommt, und unter sklavenartigen Umständen als Zimmermädchen schuften muß. Mit ihrer Kollegin flieht sie in den Westen. Dort steckt man sie in ein Bordell, wo sie wie e...

Für immer von Maja Lunde

    Was für ein Geschenk! Die schwer krebskranke Jenny, eine ehemalige Kriegsfotografin, erfährt, dass die Zeit aufgehört hat zu fließen. Zwar wirkt alles normal, die Menschen leben ihr gewohntes Leben weiter, doch gibt es kein Altern und keinen Tod. Bestattungsunternehmen und Geburtsstationen sind arbeitslos. Doch der „Stillstand“ bringt die Gesellschaft bald an ihre Grenzen. Es gibt Solidaritätskundgebungen und Gegendemonstrationen; Verschwörungserzählungen sprießen. Mit ihrer Kamera macht Jenny sich auf, die Menschen und den geheimnisvollen „Stillstand“ zu ergründen …   Maja Lunde: Für immer. Verlag btb. Eur[A] 24,70. ISBN 978-3-442-76278-1 zur Bestellung  

Russische Spezialitäten von Dmitrij Kapitelman

    Ein Laden in Leipzig in den 1990er Jahren: Hier kaufen Russen, Weißrussen, Moldawier, Ukrainer die aus ihren Herkunftsländern gewohnten Spezialitäten, hier wird gemeinsam gearbeitet und gefeiert. Dima, der Sohn der ukrainischen Inhaberfamilie, hat hier seine Jugend verbracht, seine Eltern haben russisch-moldawisch-jüdischen Background. Doch nun, seit dem russischen Angriff auf die Ukraine, ist alles anders. Außerdem stellt sich Dimas patente, geliebte Mutter auf die Seite Putins, Argumentieren ist zwecklos. Dima beschließt, ins kriegsgeplagte Kijiw zu fahren … Dmitrij Kapitelman: Russische Spezialitäten. Verlag Hanser. Eur[A] 23,70. ISBN 978-3-446-28247-6  zur Bestellung