Die bekannteste unter den vier Schwestern Benedikt ist Friedl, die als junge Schriftstellerin unter dem Pseudonym Anna Sebastian in England einige erfolgreiche Romane schrieb. Hierzulande ist Friedl Benedikt jedoch mehr aus den autobiografischen Schriften Elias Canettis geläufig, mit dem sie eine lange Beziehung hatte. Auch ist eine der Figuren in Veza Canettis Roman "Die Schildkröten", in dem die Anschlusstage in Wien 1938 beschrieben sind, ihr nachempfunden. "Sie haben Papa verhaftet!", lässt Veza Canetti in ihrem Roman die junge Frau verzweifelt sagen. Dieser Papa ist in der Realität Ernst Benedikt, ehemaliger Chefredakteur der Neuen Freien Presse.
1938 gerät das gutbürgerliche Leben der Familie Benedikt in ihrer Villa in Wien Grinzing, Am Himmel 55, tatsächlich aus den Fugen. Die vier Schwestern Gerda, Friedl, Ilse und Susi werden in verschiedene Länder geschickt, weg aus Hitlers Großdeutschland. Die Eltern folgen ihnen nach vielen Schikanen der Nationalsozialisten in die Emigration. Während Susi, die zum Zeitpunkt der Flucht noch ein Teenager ist, ihre Eltern bald in Schweden wiedertrifft, sind die anderen Schwestern jeweils auf sich allein gestellt und können auf die Dauer des Kriegs nur brieflich mit dem Rest der Familie kommunizieren. Auf Basis des Briefwechsel hat Ernst Strouhal, Ilses Sohn, dieses faszinierende Buch geschrieben.
Gerda zieht in die USA und gründet eine Familie, Friedl geht nach England und arbeitet an ihrer Schriftstellerinnenkarriere, Susi wird Journalistin, Ilse setzt 1938 ihr Medizinstudium in Zürich fort und engagiert sich als überzeugte Kommunistin politisch im Widerstand gegen Hitler, stets in Gefahr, als Ausländerin bei ihren Aktivitäten von den Schweizer Behörden entdeckt zu werden. Nach dem Krieg kehrt sie als einzige der Schwestern wieder in das zerbombte Wien zurück, wo sie als praktische Ärztin in einem Gemeindebau arbeitet. Die vier Schwestern bleiben innerlich stark verbunden, werden aber nie wieder zu viert zusammenfinden. [UR]
Ernst Strouhal: Vier Schwestern. Fernes Wien, fremde Welt.
Verlag Zsolnay
ISBN 978-3-552-07312-8 Eur[A] 28,80
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