War es rassistisch? Die Uni-Dozentin Nora Scheerer liegt gerade im Behandlungsstuhl einer Kinderwunsch-Praxis, als sie eine Rundmail ihrer Uni erhält, in dem von einem rassistischen Vorfall am Institut für Germanistik die Rede ist. Mit einem Anflug an Schadenfreude fragt sie sich erstmal, wen von der Kollegenschaft dies wohl betreffen mag. Doch bald kommt ihr, die als woke, lesbische Frau "grundsätzlich auf der Seite derer steht, die rassistische Vorfälle bekämpfen", eine Begebenheit aus ihrer eigenen Lehrveranstaltung in den Sinn. Hätte sie nicht ganz anders reagieren sollen? War ihr damaliger Kommentar etwa völlig unangemessen gewesen? Ist etwa sie selbst die Rassistin?
Scheerer, als Linguistin gewohnt, sprachliche Äußerungen zu analysieren und zerpflücken, gerät in einen grotesken Bewusstseinsstrudel, in den sich immer wieder alte Bekanntschaften mit den unterschiedlichsten Standpunkten einklinken. Wer kann dafür, wenn dies und das passiert, und muss wirklich alles über einen Kamm geschoren werden? Und würden die höchst realen Nachrichten, die Nora minütlich erreichen, nicht eine schnelle Reaktion - eine Entschuldigung! - erfordern?
Das Buch ist eine treffende und höchst witzige tour de force durch unsere heutigen Befindlichkeiten, eine treffende Uni-Satire mit Weisheitsanspruch. Die leichte Verwirrung, die sich auf den ersten Seiten einstellt, weicht bald der befreienden Lust, Nora Rischer in ihrer aberwitzigen Situation zu folgen. [UR]
Jana Scheerer: Die Rassistin.
Verlag Schöffling & Co. ISBN 978-3-89561-353-1
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