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1913 - Der Sommer des Jahrhunderts von Florian Illies



„Es ist ein völlig überdrehtes Jahr“, dieses letzte Friedensjahr 1913:

Der „Brücke“-Maler Ernst Ludwig Kirchner und die Nofretete-Statue kommen nach Berlin. Hitler, Stalin, Trotzki und Tito sind im Winter in Wien. Schnitzler, Trakl, Loos, Bahr, Altenberg, Kafka verbringen den Sommer in Venedig.

Kafka schreibt an Felice Bauer und besiegelt damit die Trennung. Sigmund Freud und C. G. Jung schreiben einander und besiegeln damit ihren Bruch. Alfred Kerr schreibt über Thomas Mann und bekräftigt damit die gegenseitige Abneigung. Else Lasker-Schüler und Gottfried Benn durchleben eine stürmische Liebesgeschichte und beenden damit ihr Liebe.

Oberst Redl wird der Hochspionage überführt, doch die in Berlin bei einer Hochzeit befindlichen europäischen Monarchen lassen sich von dieser Nachricht nicht stören und der russische Zar köpft unbeeindruckt sein Frühstücksei. Robert Musil wird monatelang krankgeschrieben, damit er den „Mann ohne Eigenschaften“ schreiben kann. Der zwölfjährige Louis Armstrong hält in der Erziehungsanstalt zum ersten Mal eine Trompete in der Hand.

Florian Illies beschreibt diese und viel mehr Episoden und zeigt interessante Querverbindungen auf sachliche und unterhaltsame Weise auf. Tratsch auf höchstem Niveau? „1913“ ist viel mehr: Ein äußerst gelungene Darstellung der Welt von gestern unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg, mit ihren so extremen und zukunftsweisenden künstlerischen und gesellschaftlichen Äußerungen. Die Tragik der weiteren Geschichte wird nicht groß erwähnt. Und doch wünscht man sich bei der Lektüre, das Jahr 1913 würde nie zu Ende gehen! (U.R.)


Florian Illies: 1913. Der Sommer des Jahrhunderts
Verlag S. Fischer
ISBN 978-3-10-036801-0
EUR[A] 20,60

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