"Alles, was ich bin" thematisiert den Kreis um den Literaten, linken Vordenker und Politiker Ernst Toller, der 1919 maßgeblich an der Entstehung der kurzlebigen Münchener Räterepublik beteiligt war. Aber nicht Toller selbst steht im Mittelpunkt, obwohl er als einer der Erzähler der Geschichte fungiert, sondern seine engste Mitarbeiterin Dora Fabian, die ihm nach Hitlers Machtergreifung 1933 unter Lebensgefahr das Manuskript seines autobiografischen Werks "Eine Jugend in Deutschland" ins Londoner Exil bringt und von dort aus mit größtmöglichem Einsatz für die in Europa versprengten Flüchtlinge des Nationalsozialismus und für die Aufklärung der Verbrechen im Dritten Reich arbeitet. Ein Kampf gegen einen allgegenwärtigen und unsichtbaren Feind - denn Hitlers Schergen sind auch im Ausland aktiv: Einbrüche in die Wohnung, Einschüchterungsaktionen, fingierte Hausdurchsuchungen, Anstiftung zum Verrat an Freunden und Mordkommandos sollen die Exilgemeinde unter Kontrolle halten. Toller erinnert sich an dieses alptraumhafte Leben am Ende seines Lebens im Mayflower Hotel in New York.
Die zweite Erzählerin ist die hochbetagte und von Demenz bedrohte Ruth, die in der heutigen Gegenwart lebt. Im Roman ist sie Doras Kusine, ihr reales Vorbild jedoch, Ruth Blatt, ist in Wirklichkeit Doras Freundin gewesen. Die Autorin Anna Funder hat Blatt in Melbourne kennengelernt und aus deren Erinnerungen und historischen Recherchen einen faszinierenden Roman konstruiert. Die Fakten werden im Anhang zusammengefasst. Das Buch ist gut übersetzt, abgesehen von sehr wenigen Sätzen, die einen ratlos lassen. "Alles, was ich bin" ist alles in allem - sehr zu empfehlen! (U.R.)
Anna Funder: Alles, was ich bin
Verlag S. Fischer
Eur(A) 20,60
ISBN 978-3-10-021511-6
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