"Unziemliches Verhalten" bzw. der passendere englische Titel "Recollections of My Nonexistence" ist Solnits großartige Beschreibung ihres Werdegangs zur anerkannten Schriftstellerin, Umwelt- und Friedensaktivistin und Feministin.
Alles beginnt mit ihrer ersten eigenen Wohnung, einem Zimmer für sie allein, eine wichtige Voraussetzung um Schreiben zu können, wie schon Virginia Woolf wusste. Und außerdem ein sicherer Rückzugsort vor der Welt, dem San Francisco der 80er Jahre, einem männlich dominierten Umfeld, in dem die Gewalt gegen Frauen alltäglich ist, ihr Leben und die Teilhabe am öffentlichen Raum eingeschränkt und das Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit in Frage gestellt wird. Laut Solnit ein Leben im Kriegszustand, nicht nur in der Realität, auch in der Kunst. Die schöne, junge, sterbende Frau ist ein ständig wiederkehrendes Motiv in der Kunst, laut E. A. Poe das poetischte, die meisten Geschichten, die Mädchen und Frauen hören, zeigen ihnen nur noch eine weitere Möglichkeit des eigenen grausamen Todes. Solnit wehrt sich gegen diese Bedrohung, schreibt dagegen an, sucht nach Mustern in den angeblichen Einzelschicksalen von Frauen.
Darüber hinaus gibt sie einen spannenden Einblick in die Kunstszene San Franciscos der 80er, den Anfängen des Punkrocks und seinem Lebensgefühl, Gay Pride, Friedensdemos und ihren Begegnungen mit verschiedensten KünstlerInnen, alles in einer Zeit vor Social Media. Sie betrachtet rückblickend ihr eigenes Werk, die Inspirationen und Anstöße für ihre Bücher und deren Enstehungsgeschichten. Außerdem ist die Erzählung eine Liebeserklärung an das Lesen und die Literatur sowie an die Natur und das freiwillige Alleinsein.
Ein beeindruckendes, bereicherndes, wirklich lesenswertes Buch, das wiedereinmal ernüchternd vor Augen führt, warum der Feminismus und starke Stimmen wie Solnits so wichtig sind.
JK
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