Künstlerin, Mäzenin und Gerechte unter den Völkern
Eine ausgezeichnet geschriebene Biografie über die niederländische Malerin und Designerin Gisèle van Waterschoot van der Gracht (1912-2013). Als Nachfahrin des Orientalisten Joseph von Hammer-Purgstall teils auf dem österreichischen Schloss Hainfeld, teils an verschiedenen Orten in den USA aufgewachsen, zog Gisèle 1940 in ihre Vaterstadt Amsterdam, wo sie in den Künstler- und Literatenkreis „Castrum Peregrini“ um Wolfgang Frommel Eingang fand, der Anhänger des Lyrikers und Lebensreformers Stefan George war. In ihrer Wohnung an der Herengracht 401 gab Gisèle der Gruppe ein Zentrum und eine Heimstatt. Für ihren Mut und ihre Standhaftigkeit während der Zeit der nationalsozialistischen Besetzung, als sie drei jungen, teilweise jüdischen und vom Regime verfolgten Mitgliedern von Castrum Peregrini jahrelang Unterschlupf gewährte, wurde sie von der Gedenkstelle Yad Vashem als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt.
Mit gutem Stil, spannender Erzählweise und viel Fingerspitzengefühl zeichnet die Autorin Annet Mooij das 100-jährige Leben dieser Ausnahmegestalt nach. Gegen viele Konventionen und Widerstände setzte Gisèle ihren Traum von einem freien und künstlerischen Leben in den damals konservativen Niederlanden und auf der Insel Paros durch. Zudem werden in dieser Biografie auch Dinge zurechtgerückt, die von „Castrum Peregrini“ nach dem Krieg verschwiegen oder verzerrt dargestellt wurden und auch von Gisèle kaum in Frage gestellt wurde, wie u.a. die Kritik an Wolfgang Frommels oft geübten sexuellem Missbrauch unter Ausnützung des Altersunterschieds und der Bewunderung, die ihm seine jugendlichen Anhänger entgegenbrachten.
(UR)
Annet Mooij, Das Jahrhundert der Gisèle. Mythos und Wirklichkeit einer Künstlerin.
Aus dem Niederländischen übersetzt von Gerd Busse.
Verlag: Wallstein.
ISBN 978-3-8353-3957-6.
Eur(A) 35,-.
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