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Es werden Posts vom Mai, 2017 angezeigt.

Sie kam aus Mariupol von Natascha Wodin

Schon oft hatte die deutsche Schriftstellerin Natascha Wodin die ukrainisch-russische Herkunft ihrer Mutter und damit ihre eigenen Wurzeln erforschen wollen. Doch über die Jahrzehnte brachten sämtliche Suchanfragen beim Roten Kreuz und anderen Organisationen kein Ergebnis. Zu verwickelt waren die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in der Sowjetunion gewesen, zu tragisch und blutig die ukrainische Geschichte, als dass Natascha Wodin hoffen konnte, Spuren von der Existenz ihrer Familie zu finden. Nur das Ende, das hatte sie miterlebt: Das Unglück der entwurzelten Frau, die, nach Hungersnot und Gewalterfahrung während des Zweiten Weltkriegs von den Nazis als Zwangsarbeiterin nach Deutschland verschleppt, sich als Verfemte und vom Leben Verfluchte sah, und die sich, als Natascha zehn Jahre alt war, im Dorffluss ertränkte. Und dann das: Natascha Wodin gibt 2014 den Namen ihrer Mutter in eine russische Suchmaschine ein und erhält einen Treffer. Und damit den Ausgang

Uhren gibt es nicht mehr von André Heller

André Heller spricht mit seiner 102-jährigen Mutter Elisabeth Heller. Was für ein Geschenk, wenn sich Mutter und Sohn nach langer und oft problematischer Beziehung auf einer solchen sprachlichen Ebene in Harmonie verständigen können. Seit seine Mutter das hohe Alter erreicht hat, schreibt Heller im Vorwort, würde er sie völlig anders erleben als in den ersten fünfzig Jahren des gemeinsamen Wegs, nämlich tapfer und voll innerer Standfestigkeit. Und aus Elisabeth Heller spricht ein großer Stolz auf ihren Sohn, der so anders gewesen sei, als sie und der Rest der Familie, während sie gleichzeitig thematisiert, welch schwieriges Kind André Heller für sie gewesen sei. Die Gespräche sind schön durch ihre Offenheit, Ehrlichkeit, Tiefsinnigkeit, Leichtigkeit und ihren Humor. Altersweisheit auf beiden Seiten, und gleichzeitig Spaß an den bisweilen überraschenden Gesprächswendungen und Gedankensprüngen. Der Tod wird nicht ausgeklammert. André Heller fragt seine Mutter: Was müssten die Men

Heute leben wir von Emmanuelle Pirotte

 Die Geschichte spielt im Kriegswinter 1944, und ist eine von unzähligen dramatischen Geschichten aus dem Zweiten Weltkrieg; aber was für eine unglaublich fesselnde Geschichte, die uns die Autorin präsentiert. Inspiriert von Berichten ihrer Großeltern, die damals selbst ein jüdisches Kind bei sich versteckt und so vor dem Tod gerettet hatten, liest sich der Roman besonders glaubwürdig. Der französische Kriegsschauplatz befindet sich in den von den Deutschen besetzten Ardennen, wobei die Alliierten bereits im Vormarsch sind. Die kleine Renée - ihr wahrer Name ist nicht bekannt, ihr Alter wird auf 6 -7 Iahre geschätzt, die Eltern wahrscheinlich deportiert und tot - ist in keinem Versteck mehr sicher, nicht einmal beim Dorfpfaner. In Panik übergibt er das Kind zwei in einem amerikanischen Jeep vorbeifahrenden Soldaten, die in Wirklichkeit als Amerikaner getarnte SS-Offiziere sind. Diese beschließen sogleich, sich des Kindes durch Erschießen bei der nächsten gtinstigen Gelegenheit zu

Betrunkene Bäume von Ada Dorian

Katharina ist von zu Hause ausgezogen und drauf und dran, ihr Abitur zu schmeißen. Der Vater hat kurz zuvor die Familie verlassen und schickt seiner Tochter nur sporadisch eine Postkarte von seiner Männerarbeit in Sibirien, das hat Katharina aus der Bahn geworfen. Ein Bekannter vermittelt ihr eine Absteige und bald darauf auch Pillen, mit deren Verkauf sie die Miete für das Elendsquartier bezahlen soll. Während Katharina immer mehr in den Strudel des Abstiegs gerät, schließt sie Freundschaft mit dem alten Nachbarn Erich, einem pensionierten Wissenschaftler, der seine familiären Sünden mit Einsamkeit und Geringschätzung seiner Kinder bezahlt. Eine innige Beziehung hegt Erich nur zu seinen Forschungsobjekten, den Bäumen. Er ist Experte für das Phänomen der "betrunkenen Bäume", das sind Bäume, die durch den Klimawandel und das Auftauen des Permafrostes in einen Schaukelzustand geraten. So wie Katharina in Schieflage geraten ist. Zudem hat Erich früher in Sibirien geforsch