Pommern 1944. Im letzten Kriegsjahr wird der 17-jährige Konrad Kannmacher zur Wehrmacht eingezogen.Sein Vater, ein im Dritten Reich als Judenfreund verschriener Linker, rät ihm, sich nach Möglichkeit nicht unnötig in den Kriegswirren an vorderster Front zu engagieren und sich bei Gelegenheit abzusetzen. Konrad aber meint, dem Vaterland mit bedingungslosem Ehrgeiz dienen zu müssen, und meldet sich zu Himmelfahrts- und Sonderkommandos. Mit unwahrscheinlichem Glück überlebt der gar nicht besonders draufgängerisch veranlagte Teenager Partisanenkämpfe und Einsätze in Feindesgebiet, im Zuge deren er sogar das Eiserne Kreuz I. Klasse für besondere Tapferkeit verliehen bekommt.
Die erlebten und verübten Kriegsgreuel, die verrohten Sitten und Lügen in Zeiten des Kriegs, die Massenflucht aus den östlichen Gebieten, der grausame Tod der Schulkumpel, Verrat, der Verlust der Heimat, all das wird ihn nach Kriegsende zeitlebens prägen. Im völlig umgedrehten Wertekanon empfindet Konrad nun neben trotzigem Stolz auf seine "Heldentaten" eine fürchterliche Scham vor seinem politisch sauber gebliebenen Vater, dessen Rat er nicht befolgt hatte. Nach Jahren der Orientierungslosigkeit und Arbeit als Volksschullehrer findet Konrad einen Mentor in einem linksliberalen Philosophieprofessor der "Frankfurter Schule", der ihn zu seinem Assistenten macht. Nach außen ist Konrad nun politisch geläutert und gefestigt. Doch die emotionale Hochschaubahn aus Verleugnung, Verschweigen und Unsicherheit lassen ihn instabil bleiben, problematische Frauen-Beziehungen eingehen und zur Zielscheibe für Erpressung durch Stasi und Linksextreme werden.
Jan Koneffke entwickelt ein facettenreiches Sittenbild der deutschen Nachkriegsgesellschaft, von Altnazis zu Linksextremen, bis zur Wende und darüber hinaus. Der Roman schildert gekonnt einen Jedermann-Charakter, und was mit diesem in abnormalen politischen Verhältnissen geschehen kann. (U.R.)
Jan Koneffke: Ein Sonntagskind
Verlag Galiani Berlin
ISBN 978-3-86971-107-2
EUR[A] 25.70
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