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Eine Handvoll Rosinen von Daniel Zipfel


Ludwig Blum ist Fremdenpolizist in Traiskirchen und immer bemüht, seine Arbeit im Rahmen der Gesetze zu erledigen. Die Ordnung ist ihm wichtig. Und die Gesetze hat er ja schließlich nicht gemacht.

Als Grenzgendarm während des Prager Frühlings sah er das anders und wurde für seine Einsatz für Flüchtlinge aus der Tschechoslowakei geehrt. Doch längst ist ihm der Ruhm und auch seine eigene Familie abhanden gekommen. Sein einziger sozialer Kontakt von früher, Jakob Kampl, betreibt eine Notschlafstelle für obdachlose Asylanten.

Der Afghane Nejat Salarzai arbeitet offiziell als Dolmetscher für das Bundesasylamt in Traiskirchen, als Schlepper ist er in vielen Ländern Europas vernetzt, wenngleich nirgends zu Hause. Er versteht sich als Dienstleister für seine "Kunden", und gibt ihnen Erfolgsgarantien, auch wenn er weiss, dass sie nicht immer halten werden.

Als Blum seinem Freund Kampl im Fall eines abzuschiebenden Syrers helfen will, kreuzen sich die Wege der beiden Männer, und Blum beginnt, an den Gesetzen und der Gerechtigkeit zu zweifeln. " Es gebe mehrere Arten von Ordnung, hatte Nejat Salarzai gesagt." Und lässt Blum an einem versperrten Kühlwagen auf einem Autobahnparkplatz fast zerbrechen ...

In kurzen lakonischen Sätzen beschreibt der in Wien lebende Daniel Zipfel, auch tätig als Jurist in der Asylrechtsberatung, in seinem Debutroman eine beklemmend aktuelle Situation, die nach Erscheinen im Herbst 2015 von der Wirklichkeit auf furchtbare Weise eingeholt wurde und mittlerweile noch ganz andere Dimensionen bekommen hat. Die beeindruckende Leistung des Buches besteht darin, dass keine der Personen als rein gut oder böse gezeichnet wird, jeder und jede hat unterschiedliche Beweggründe und seine eigene verschlungene Biographie "im Gepäck". Man bekommt eine Ahnung von dem, was sich hinter den täglichen Schlagzeilen alles abspielt und es ist keine angenehme Ahnung. Aber sicher eine wichtige!

Susanne Remmer
September 2015

Daniel Zipfel: Eine Handvoll Rosinen
Verlag Kremayr Scheriau, Wien 2015
ISBN 978-3-218-00997-3
Eur(A) 19.90


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