Direkt zum Hauptbereich

Im Kreis treibt die Zeit von Sigrid Damm


Sigrid Damm, die für ihre meisterhaften Studien über Goethe, Schiller, Caroline Schlegel-Schelling, bekannt ist, hat nun ihr persönlichstes Buch herausgebracht.
In „Im Kreis treibt die Zeit“ erweist sie ihrem Vater die Reverenz, den sie, dem allgemeinen Familientenor folgend, lange Zeit innerlich abgewertet hatte. Doch zwei Jahre vor seinem Tod gelingt die Versöhnung, und die Autorin beschäftigt sich auch weiterhin mit der Biografie des Vaters.
Brisant sind die Zeiten allemal: In der Spanne seines Lebens hat der Vater im heimatlichen Thüringen zwei Weltkriege und fünf verschiedene Regierungsformen erlebt, darunter mehr Absolutismus und Totalitarismus als Demokratie und offene Gesellschaft erfahren. Immer wieder konfrontiert die Tochter den Vater mit der Frage: Was war mit den Juden während des Dritten Reichs, und sie hadert mit der NS-Parteimitgliedschaft des Vaters. Des Vaters, der früh verwaist in eine jüdische Bank eintrat und sich dort hocharbeitete, der später, schon während der NS-Zeit, verwarnt wurde, er stünde zu gut mit seiner jüdischen Dienstherrschaft, weil er öffentlich der Familie kondolierte.
Soviele Fragen bleiben offen, zu spät für ihre Klärung. Doch am Ende die Erkenntnis: „Ich habe nicht darüber zu richten.“

Sigrid Damm schreibt darüber hinaus viel Wissenswertes über ihre Heimatstadt Gotha und Episoden ihrer Geschichte, so über die kurzlebige „Republik Gotha“ nach dem Ersten Weltkrieg, und über Menschen, die die Historikerin fasziniert haben, darunter der Reformator und Luther-Freund Myconius und der österreichisch-stämmige Oberstleutnant Gadolla, der die Stadt 1945 kampflos den Alliierten übergab und dafür in den letzten Kriegstagen hingerichtet wurde.

(U.R.)

Zur Bestellung
Sigrid Damm: Im Kreis treibt die Zeit
Verlag: Insel Verlag
Eur [A] 22,70
ISBN: 978-3-458-17737-1

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Sing, wilder Vogel, sing von Jacqueline O´Mahony

  Ein Schmöker definiert sich als ein dickerer, inhaltlich weniger anspruchsvoller, aber zugleich fesselnder Roman. Und dieses Buch liest sich ebenfalls wie ein kleiner Schmöker, jedoch mit dem Unterschied, daß es nicht nur spannend ist, zugleich aber ein anspruchsvolles geschichtsträchtiges Thema zum Inhalt hat. Es geht um die Hungersnot 1849 in Irland, ausgelöst durch die Kartoffelfäule und die Landvertreibung des irischen Volkes  durch die englischen Grundherren. Dem irischen Mädchen Honora wird im Leben nichts geschenkt. Von Kind an auf sich allein gestellt und ausgegrenzt, wächst sie in Armut auf. Um nicht zugrunde zu gehen, fährt sie als blinder Passagier mit einem Schiff nach Amerika, wo sie vom Regen in die Traufe kommt, und unter sklavenartigen Umständen als Zimmermädchen schuften muß. Mit ihrer Kollegin flieht sie in den Westen. Dort steckt man sie in ein Bordell, wo sie wie e...

Jeder weiss, dass deine Mutter eine Hexe ist von Rivka Galchen

  In „Jeder weiss, dass deine Mutter eine Hexe ist“ erzählt die Autorin Rivka Galchen von dem historisch belegten Hexenprozess (1615-21) aus der Perspektive der angeklagten Katharina Kepler - der Mutter des Astronomen Johannes Kepler - gemischt mit Dokumenten, Zeugenbefragungen und dem Bericht eines hilfreichen Nachbarn. Über fünf Jahre lang musste sich Katharina Kepler aus Leonberg gegen den Vorwurf verteidigen, sie sei eine Hexe. Zu den damaligen Zeiten war das kein leichter Vorwurf, allein in Europa wurden zu diesen Zeiten mehrere zehntausend Menschen als Hexe zu Tode verurteilt; die meisten von ihnen waren Frauen wie die Keplerin, eigensinnig, scharfzügig und beschlagen in Heilkräuterkunde. Der Prozess nimmt Fahrt auf, als eine Bekannte aus dem Ort, die Glasersfrau Ursula Reinhold, die Keplerin beschuldigt, sie mit einem Hexentrunk vergiftet zu haben. Die Folgen davon sollen sein: Schmerzen und Unfruchtbarkeit. Katharina beschließt, was nur jemand kann, der furchtlos ist: sie ...

Die Reise nach Laredo von Arno Geiger

Karl V. hat lange über ein schier unermessliches Reich geherrscht. Doch nun hat er der Machtpolitik den Rücken gekehrt und sich in ein abgeschiedenes Kloster im spanischen Yuste zurückgezogen. Von seinen Hofschranzen können es manche gar nicht erwarten, ihren abgedankten, fettleibigen und kranken König tot zu sehen, um nur rasch aus dem kleinen Nest wegzukommen. Da ist aber noch der elfjährige, von seiner Mutter getrennte Geronimo, der nicht weiß, dass er ein leiblicher, illegitimer Sohn Karls ist (später wird er unter dem Namen Don Juan d'Austria berühmt sein). Greife, die prächtigen Fabelwesen, haben es ihm angetan, und in Karls Wohnung hängt ein Wandteppich mit einem Greif: "Sieh ihn dir an, wenn ich tot bin.", sagt er dem Kind. Ob das am Ende in Erfüllung gehen wird?  Noch ganz andere Dinge scheinen plötzlich in Erfüllung zu gehen: ein Ausbruch Karls aus seinem Totenbett, eine lange Reise mit seinem Sohn durch Spanien ans Meer, auf der sich seltsame Dinge ereignen, au...