"Alt werden heißt verlieren lernen" liest man auf Seite
123. Doch wer dies als Chance zu nützen weiß, um Schuldgefühle und Versäumnisse
aufzuarbeiten und rechtzeitig DANKE zu sagen, könnte aus dem Verlieren auch
Gewinn ziehen.
Die alte alleinstehende Dame Mischka beschließt in ein
Heim zu ziehen, um anderen Menschen nicht zur Last fallen zu müssen. Marie, eine
junge Frau, der Mischka in ihrer tristen Kindheit eine Art von Ersatzmutter
gewesen ist, möchte sich gerne um Mischka kümmern, hat aber selbst Probleme mit
einer Schwangerschaft und dem Vater ihres Kindes, der sich aus Karrieregründen
seiner Verantwortung entzieht. Marie versucht so gut sie kann, die alte Dame im
Heim zu betreuen. Da aber Mischka langsam die Fähigkeit zu sprechen verliert,
wird der junge engagierte Jerome als Logopäde hinzugezogen.
Alle drei Personen sind mit Schuldgefühlen belastet
:
Mischka auf der Suche nach verschollenen Pflegeeltern
während des Zweiten Weltkriegs;
Marie, die daran zweifelt als Alleinerzieherin ein Kind
großzuziehen; und
Jerome, der seinem Vater nicht verzeihen will, daß dieser
ihn als Kind im Stich gelassen hat.
Mischka als älteste und lebenserfahrenste bemüht sich, den
jungen Leuten zur richtigen Entscheidung zu verhelfen. Doch die Uhr tickt, denn
bald wird sie sich verbal nicht mehr ausdrücken können.
Aber auch Marie und Jerome haben die Zeit gegen sich, um
die Familie des verschollenen Ehepaars auszuforschen, damit Mischka ihre
Dankbarkeit noch rechtzeitig zu Papier bringen kann.
Dank sollte im Leben eine wichtige Stelle einnehmen,
angefangen vom alltäglichen höflichen Dank bis zu dem Dank an jene, die Gutes in
uns bewirkt haben; ein Dank an das Leben selbst, bevor es zu spät
ist.
Dieser so leicht anmutend dahin geschriebenen Roman wird
von Wärme und Weisheit getragen. Oft kommt man um das Schmunzeln nicht herum,
wenn die alte Dame Ersatzworte erfindet, um die, die ihr nicht mehr einfallen,
zu kaschieren. Z.B. wird das Ersatzwort für "OK" dann zu einem "OJE" .
Die Übersetzerin Doris Heinemann hat an diesen
unfreiwillig komischen Dialogen sehr einfühlsamen Anteil.
HR
Zur Bestellung
Delphine de Vigan: DANKBARKEITEN
Verlag: Dumont
ISBN: 978-3-8321-8112-3
Eur [A] 20,60
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