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Das Land meiner Väter von Alexander Wolff

 

Es ist oft erzählt worden, dass die von Hitler vertriebenen Emigranten und die in Deutschland und Österreich Verbliebenen nach dem Krieg miteinander große Verständigungsschwierigkeiten hatten: Die im Land Gebliebenen wollten das Leid der vom Nazi-Regime Geflüchteten nicht wahrhaben. War es diesen nicht gut gegangen, drüben in den USA oder sonstwo, während sie selbst daheim das Regime, den jahrelangen Einsatz im Weltkrieg und die schrecklichen Bombardierungen der Allierten zu ertragen hatten? Dabei übersahen sie die große Traumatisierung der Vertriebenen, die sich darüber hinaus ihr Leben in den Fluchtländern unter großen Schwierigkeiten neu aufbauen mussten. Eine gemeinsame Sprache war nach dem Krieg fast unmöglich; das große Schweigen über die Schreckenszeit war die Folge.

Auch die Familie des Verlegers Kurt Wolff versuchte 1945/45 wieder zueinander zu finden, wie sein Enkel, Autor Alexander Wolff, mit Zitierung der Briefe zwischen Kurt Wolff und seinen Kindern, erzählt. Kurt Wolffs literarische Bedeutung ist kaum zu überschätzen, hatte Wolff doch mit seinem gleichnamigen Verlag Literaten wie Franz Werfel, Karl Kraus und Franz Kafka und viele andere namhafte Autoren verlegt. Wolff und seine Frau Helen, Partnerin auch im Verlagsgeschäft, waren mit knapper Not den Nazis entkommen, während Wolffs Kinder aus erster Ehe, nach Nazi-Kriterien "vierteljüdisch", unter dem schirmenden Mantel ihrer mütterlichen Familie, der einflussreichen Pharma-Dynastie Merck, in Deutschland verblieben waren. Die Briefe zwischen Vater und Tochter sind unglaublich berührend. Hier versuchen literarisch hochgebildete Menschen, Formulierungen für das Schmerzhafte zu finden und auch sie scheitern daran. 

Aber auch andere Familienmitglieder sind für ihr Leben durch die politischen Verwerfungen gezeichnet. "Das Land meiner Väter" ist eine sehr interessante und stark geschriebene Familien-Biografie, die nicht nur die deutsche und österreichische Vergangenheit, sondern auch die jüngere Geschichte der USA bis in die Gegenwart beleuchtet. Für an Buchgeschichte und Literatur Interessierte insbesondere zu empfehlen, da das Buch viele Bezüge zu Werfel, Kafka, Kraus und anderen Literat:innen hat. (U.R.)

Alexander Wolff: Das Land meiner Väter. Die deutsch-amerikanische Geschichte meines Großvaters Kurt Wolff

Übersetzung: Monika Köpfer
Verlag Dumont
ISBN 978-3-8321-8154-3

Eur[A] 26,80

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