Gerade habe ich Colm Tóibíns "Zauberer" zu Ende gelesen. Fast stimmt es mich traurig. Denn seit einiger Zeit ging ich mit Thomas Mann "ins Bett" ! Und freute mich jeden Abend aufs Neue darauf, in diese Romanbiographie einzutauchen. Vielleicht als nicht wirklich fundierte Kennerin von Thomas Manns Leben und Werk gerade deshalb. Es fängt an mit den Manns in Lübeck, der alteingesehenen Senatorenfamilie, und hört auf mit Thomas Manns Lebensende, und dem was von seiner Familie überblieb, in der Schweiz. Dazwischen der ganze politische Wahnsinn zwischen dem Ersten Weltkrieg, dem Nazi-Horror, der Flucht aus Europa, dem amerikanischen Exil - zuerst als Emigrant dort willkommen, dann unbequem geworden, weil nicht manipulierbar. Diese Familiengeschichte mit dem wechselnden politischen Geschehen ist Zeitgeschichte, Literaturgeschichte und Zeugnis des 20.Jahrhunderts, im Besonderen erzählt durch die oft tragischen Einzelschicksale seiner Geschwister und Freunde und der Nachkommen aus seiner Ehe mit Katia Pringsheim.
Ob seitenweise, Absatz-weise oder Kapitel-weise - alles in allem war das Lesevergnügen groß! Jetzt kann ich mitreden, wenn es um den "Zauberer", sein Werk und seine Zeit geht. Daß es eine Übersetzung aus dem Englischen ist, mutet fast überraschend an, so glaubwürdig liest sich das Deutsche. Und seidig fühlten sich die Buchseiten an, wenn ich darüber strich, ein bibliophiles Erleben der besonderen Art, und mir noch nie begegnet. H.R.
Colm Tóibín: Der Zauberer. Roman.
Verlag Hanser
ISBN 978-3-446-27089-3 Eur(A) 28,80.
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